Die Verbreitung und Wirkung des Wortes „homosexuell“
Die erste öffentliche Verwendung des Begriffs „homosexuell“ findet sich in dem berühmten Werk Psychopathia Sexualis von Richard von Krafft-Ebing, dem deutsch-österreichischen Psychiater und Gerichtsmediziner, das 1886 veröffentlicht wurde. Es ist eines der ersten Werke über Sexualpathologie, bzw. das erste der frühen Werke über Homosexualität. Die Verbreitung der Bezeichnung „homosexuell“ wurde auch dadurch gefördert, dass das Buch nicht nur unter Ärzten, sondern auch unter Laien sehr populär war.
Auch der englische Dichter und Literaturkritiker John Addington Symonds (1840-1893) verwendete diese Bezeichnung in seinem 1873 veröffentlichten Werk Ein Problem in der griechischen Ethik (A Problem in Greek Ethics), diese Studie erreichte aber nur wenige Leser.
Im Jahre 1892 übersetzte der amerikanische Neurologe Charles Gilbert Chaddock (1861–1936) Krafft-Ebings Psychopathia Sexualis ins Englische und führte dadurch den Begriff „homosexuell“ in die angelsächsische Welt ein.
Die Presseberichterstattung über einen deutschen Skandal (die Harden-Eulenburg-Affäre) trug nach der Jahrhundertwende bedeutend zur Verbreitung des Wortes „homosexuell“ bei. Der Journalist und Verleger Maximilian Harden (1861-1927) bezichtigte den Fürsten Philipp Eulenburg (1847-1921), einen einflussreichen Freund Kaiser Wilhelms II. und Diplomaten öffentlich, dass er eine Affäre mit General Kuno von Moltke (1847-1923) hat. Dem komplexen Skandal, in den mehrere wichtige politische Persönlichkeiten verwickelt waren, folgten zwischen 1907 und 1909 Prozesse. Der Fall hatte eine ähnliche Resonanz, wie der Prozess gegen Oscar Wilde in England. Das Verfahren, das sich über mehrere Jahre hinzog, wurde von der Presse mit lebhaftem Interesse verfolgt, und es trug dazu bei, dass das Thema Homosexualität bzw. der Kampf Magnus Hirschfelds gegen den Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches größere Öffentlichkeit in Deutschland erhielt. Auch die ungarische Presse berichtete ausführlich über diesen Fall und förderte dadurch die Verbreitung des Begriffes „homosexuell“ in Ungarn.
Das Wort „homosexuell“ hat sich im 20. Jahrhundert sowohl im offiziellen Sprachgebrauch als auch in der Wissenschaft und im öffentlichen Leben allgemein durchgesetzt. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Bezeichnung „homosexuell“ mehrfach kritisiert: Einige hielten sie für zu sehr medizinisch klingend oder bemängelten die Überbetonung der Sexualität; andere schlugen neue Begriffe vor, die die Identitäten genauer ausdrücken (schwul, lesbisch, queer) und die Vielfalt innerhalb sexueller Minderheiten betonen.
Die Grabstätte von Karl Maria Kertbeny auf dem Friedhof in der Fiumei Straße wurde nach Recherchen der Soziologin und Historikerin Judit Takács identifiziert. 2001 wurde mit Spendengeldern, die auf einen Aufruf der Zeitschrift Mások hin gesammelt wurden, ein Grabmal für Kertbeny errichtet. Im Jahr 2011 wurde die Grabstätte vom Nationalen Komitee für Gedenkstätten und Pietät als Teil des Nationalen Friedhofs unter Schutz gestellt.